21. Juni 2018 – Alles im Lot, aber man macht sich so seine Gedanken

Heute zum zweiten Mal in diesem Jahr Kupfer und Schwefel gespritzt, diesmal aber mit dem großen und schweren Gerät, das man auf dem Rücken trägt. Das ist lästig und schweißtreibend. Dabei noch einmal genau den Weinstöcken auf die Blätter geschaut:

Insgesamt ist die Anlage in Schuss, wäre aber vielleicht nicht ganz ohne diese Spritzung „durchgekommen“. Sie ist grün und wirkt gesund, es gibt aber hier und dort unüberschaubare  Schäden und Merkwürdigkeiten, die wir nicht zu deuten und behandeln wissen. Diese sind im Moment zwar deutlich auf einzelne und wenige Stöcke begrenzt. Geschädigte Triebe wachsen sogar in gesunde Nachbarpflanzen hinein und umgekehrt, ohne das es eine Ansteckung oder Wechselwirkung zu geben scheint.  Gerne würde ich mich darauf verlassen, dass es so bleibt, aber es besteht schon auch die Möglichkeit, dass es sich um Vorzeichen dessen handelt, was auch den gesunden Stöcken droht, wenn nicht jetzt dann später  oder sehr viel später. Das kriegen wir aber nicht geklärt und können es nur beobachten und nach Bachgefühl vorgehen.

Also erst einmal die Universalwaffe Schwefel&Kupfer versprühen,  um die Schwächung durch die beiden Mehltäue (Personospora und Oidium) zu verhindern. Dann welke Blätter und andere auffällige Pflanzenteile herausnehmen. Wenn einzelne Stöcke dauerhaft kränkeln und nicht wieder zu sich kommen, müssen die vorsichtshalber und notfalls ganz raus. Darüber sprechen wir dann aber im Herbst/Winter/Frühjahr.

Interessanterweise kommt mir heute früh öfters der Begriff „Epidemiologie“ in den Sinn. Definition lt. wikipedia: „Wissenschaft von der Entstehung, Verbreitung, Bekämpfung und den sozialen Folgen von Epidemien, zeittypischen Massenerkrankungen und Zivilisationsschäden“. Wobei ich um die Frage kreise, warum von einer Gesamtzahl von Rebstöcken nur ausgesucht einzelne eine Schädigung oder Veränderung aufweisen, obgleich sie von der gleichen Sorte sind wie die anderen, auf dem gleichen Boden und unter gleichen äußeren Bedingungen wachsen und vom gleichen Rebenvermehrer gezogen wurden. Man könnte fast auf die Idee kommen – wie bei Masern oder Mumps?, – dass jeder einzelne Rebstock eine individuelle und in einzelnen, für die Krankheitsanfälligkeit zuständigen Teilen unterschiedliche DNA hat wie auch Menschen unterschiedlich sind und eben auf Pest und Cholera ansprechen oder nicht. Bislang hätte ich so etwas immer nur in Bezug auf Tiere und Menschen vermutet, nicht aber bei Pflanzen.  Aber immerhin wäre das erst einmal nur bedauerlich für das Individuum, aber noch entspannt für den Winzer. Aber so einfach macht es uns die Epidemiologie wahrscheinlich nicht. Die muss wenigstens überprüfen, ob nicht doch „wenn nicht jetzt dann später oder sehr viel später“ (s.o.) etwas überspringt und sich ausbreitet. Beiläufige Grundlagenwissenschaft im Weinberg, wobei der Forscher nicht im weißen Kittel im Labor steht, sondern gerade Chemie auf Weinblätter sprüht.

Eher für uns dokumentiere ich noch kurz die drei auffälligsten Schadensbilder (die offensichtlich von Raupen verursachten Fraßschäden lasse ich mal beiseite, die Würmer verpuppen sich demnächst und dann freuen sich alle über die Schmetterlinge, vor allem ich…)

Starke Gelbverfärbung in allen Pflanzenteilen inkl. den Fruchtansätzen. Möglicherweise Eisenmangel („Chlorose“), interessant hierbei, dass Chlorose nicht zwingend von Eisenmangel im Boden verursacht wird, dass könnte man durch Düngung regulieren. Es scheint aber auch so etwas zu geben wie die Unfähigkeit einzelner Stöcke, das Eisen zu verarbeiten und zu assimilieren. Bei uns sind die Nachbarstöcke der Gelbsüchtigen ja auch grasgrün. Bingo, Herr Epidemiologe.

(Um der etwas skurrilen Möglichkeit dennoch gerecht zu werden, dass an willkürlich ausgewählten Stellen unseres Weingarten weniger Eisen im Boden ist als an allen anderen, rund um die gelben Stöcke ein flüssiges Eisenpräparat in den Boden gegossen. Evtl. aber eine klassische Übersprung- und Verlegenheitshandlung, das Mittel ist eigentlich zum Spritzen auf die Blätter, wo es direkt aufgenommen wird. Ob die Wurzeln mit der gleichen Eisenformulierung etwas anfangen können und den Stoff an die Blätter liefern weiß ich nicht. Ich weiß nur vom Herumrecherchieren, dass man Eisen für die Blätter nicht zusammen oder nach Kupfer ausbringen darf oder soll. Also machen wir den voodoo mit dem Gießen.)

Violette, dann braune Verfärbung der Blätter mit sich ausbreitendem Verwelken und Austrocknen der (ganzen ?) Pflanze einschließlich der noch grünen Trauben. Im Moment ein eigenständig erscheinendes Phänomen, ebenfalls klar auf einige wenige Stöcke begrenzt, evtl. aber auch eine Spielart des Falschen oder Echten Mehltaus (Peronospora/Oidium).

Falscher und/oder Echter Mehltau, „Ölflecken“ (sind das welche?) auf der Blattoberseite, weißer „Pilzrasen“ auf der Unterseite. Tritt in dieser Deutlichkeit in unserem Weingarten nach zehn Jahren zum ersten Mal auf. Ich fürchte nicht zum letzten Mal. Und könnte sich ausbreiten. Hieraus ergeben sich im Moment die ernstesten Konsequenzen: der Weinberg muss wenigstens 1-2 mal pro Jahr öfter als bisher gespritzt werden, im Ernstfall muss jemand eigens dafür aus Frankfurt herkommen.

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