29. August 2019 – Ein Lied-zwei-drei: „Im Mehltau zu Berge ….!!!!“ und was um Himmels Willen ist „Stiellähme“?

Donnerstag, 29. August 2019

In den kommenden Wochen wird es an die letzte Behandlung und die Abfüllung des 2018-er Rotweins in Flaschen gehen, von dem dieses Tagebuch handelt. Wie wir uns alle erinnern ruht der in kleinen Fässern im Keller, hat sich sehr gut von selbst geklärt und wurde schon mehrfach geschwefelt, um ihn vor frühzeitiger Alterung zu bewahren. In dem nächsten Tagen werden wir von allen Tranchen Proben ins Labor bringen und verschiedene Werte ermitteln lassen, die uns helfen, letzte Entscheidungen zu treffen, bevor gefiltert und in Flaschen gefüllt  wird. Danach ist dann für alle Zeiten nichts mehr zu korrigieren am 2018-er. Selbstverständlich wird es in diesem Tagebuch detaillierte Berichte über alle verbleibenden Arbeitsschritte geben. Wir melden uns sobald es losgegangen ist.

Heute muss der Chronist aber erst einmal schnell die ersten Eindrücke vom jüngeren Bruder loswerden, dem 2019-er Rotwein. Der ganze Weingarten ist auf den ersten Blick in keinem wirklich guten Zustand und wir müssen vielleicht früher als in den vergangenen Jahren ernten. Nicht dass es keinen guten Wein geben wird, aber das Laub der Stöcke ist stark angegriffen von Echtem und Falschem Mehltau und vielleicht auch noch anderen Pilzen. Ob da die Trauben noch gut weiter reifen, erscheint sehr fraglich.

Wir krempeln die Ärmel hoch und entfernen beherzt etwa die Hälfte des Laubes und bei der Gelegenheit auch die sehr zahlreichen „Geiztrauben“. Die hatten bereits die Größe von normalen Trauben erreicht und waren schon in der Umfärbung von grün nach blau. Zur Erinnerung: an den Blattscheiden der Triebe bilden sich Seitentriebe, die um einige Wochen zeitversetzt eigene Blüten und Früchte entwickeln, die zwar nicht mehr im gleichen Jahr so reif werden können wie die erste Generation, aber dennoch einen Teil der von den Wurzeln und Blättern gelieferten Nährstoffe beanspruchen, die dann den „richtigen“ Trauben fehlen. Die Seitentriebe und Blüten hätten alle paar Tage schon im Frühsommer ausgebrochen gehört, wir waren aber nicht hier. Deswegen konnten wir auch in den dem Vernehmen nach extrem feuchten und warmen Wochen nicht noch ein-zwei Mal mit Schwefel und Kupfer gegen die massiv und schnell zupackenden Pilze vorgehen. Der letzte Eindruck von Anfang Juni, dass für dieses Jahr alles was Geiztriebe und Pflanzenschutz betrifft getan ist und dass wir Ende August gesunde Weinstöcke vorfinden werden, war pure Illusion.

Aber nach Entfernen des allgemeinen Wildwuchses sieht die Sache dann doch ganz manierlich aus. Und nachdem wir auch noch die Blätter herausgenommen haben, die Schatten auf die Trauben werfen, sehen wir in den Rebzeilen einen breiten Streifen dicker dunkelvioletter Trauben hängen und sind erst einmal wieder beruhigt.

Auch weil die Trauben trotz der kranken Stöcke erstaunlich gut entwickelt sind und praktisch ohne Schimmelbefall oder Wespenfraß, der uns im vergangnen Jahr ja zu einer verfrühten Ernte bewogen hat. Es gibt in diesem Jahr nur ganz vereinzelt Wespen und noch weniger Hornissen. Auch wenig Bienen an den blühenden Pflanzen und kaum Schmetterlinge. Wir sind irritiert und etwas besorgt, vermissen das allgegenwärtige Summen des Vorjahres.

Erste Messungen des Traubensaftes im Weinberg ergeben Oechlse-Werte um die 80 Grad. Das ist zwar nicht berauschend – im letzten Jahr hatten wir bei der Ernte immerhin um die 100 Oe– aber doch genug Zucker, um daraus einen guten Wein zu machen. Und noch stehen sonnige Tage in Aussicht, in denen das “Mostgewicht“ bis Mitte/Ende September noch ansteigen könnte.

Wir fragen uns allerdings, ob auch stark geschädigtes Laub noch etwas zur Zuckereinlagerung in den Trauben beitragen kann oder der Wert schon allein durch die Sonnenstrahlung verbessert wird. Und wie sich ein anderes Phänomen in den kommenden Wochen entwickeln wird: „Stiehllähme“ oder was wir dafür halten.

Nicht wenige Trauben beginnen zuerst rosinenartig zu schrumpfen und sind im Endzustand vollkommen trocken. Dadurch verliert man Mostmenge und es ist fraglich, ob diese trockenen Trauben irgend etwas zum späteren Wein beitragen würden. Geben sie beispielsweise noch Zucker, Säure und Farbe ab?

wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Stiellähme) spricht zwar von einer „physiologischen Störung der Zellstruktur der Traubenstiele/Traubenkämme bei Weinreben“, im Alltag wird mit „Stiellähme“ wohl darüber hinaus und eher unspezifisch das Phänomen verwelkende und eintrocknende Trauben umschrieben. Mit der Ursachenforschung halten wir uns nur am Rande auf. Möglicherweise hat unsere Rebsorte, der Monarch, einfach sortenbedingt eine Neigung zur Stiellähme. Die tritt dann je nach Jahresverlauf – Temperaturen, Nässe, Luftfeuchtigkeit, Trockenheit, Pilz- und Schädlingsbefall vor, während, nach der Blüte – mehr oder weniger stark als Stressreaktion der Weinstöcke zu Tage. Und es würde bei den starken Laubschäden nun wirklich nicht wundern, wenn die Stöcke die Früchte abwerfen und erst einmal an das eigene Überleben denken.

Uns interessiert aber vorrangig, ob sich das in den kommenden Wochen fortsetzen wird und wir weitere Trauben verlieren könnten. Wir fahren jetzt erst einmal ein paar Tage ans Meer nach Kroatien und sehen uns die Sache an wenn wir zurück sind.

Freitag, 13. September 2019

Die Weinlese 2019 liegt hinter uns. Das Mostgewicht ist zwar seit Ende August auf 85 Oe angestiegen und hätte vielleicht noch weiter steigen können, es schien aber so, dass immer mehr Trauben welk und dann trocken werden. Wir riskieren nichts und ernten und vermaischen gestern, nachdem vorab alle zweifelhaften Früchte sorgfältig entfernt sind, 245 kg vollständig gesunde Trauben.

Das kann sich sehen lassen, wie auch der in den nachfolgenden Tagen abgelaufene, sehr zügige Gärprozess. Das damit verbundene Procedere gleicht weitgehend dem im Vorjahr um etwa die gleiche Zeit ausführlich geschilderten und kann unter http://www.wolfgang-barina.de/wein2018/2018/09/12/12-september-2018-ausgelesen-abgerappt-eingemaischt/ sowie den hierauf folgenden Tagebucheinträgen nachgelesen werden.

Eine weitere Schleife im Weinjahr ist damit absolviert. Das Tagebuch steigt dann in den kommenden Tagen wieder bei dem ein, was aus der 2018-er Maische des vergangenen Jahres in der Zwischenzeit geworden ist.

Als Zugabe hier jetzt nur noch und abschließend ein stark gekürztes Video von unserer diesjährigen ausufernden Erntefeier mit dem halben Dorf …… (Video-Player erforderlich):

(OK, OK, das war auf dem Weinfest in Szekszárd am vergangenen Sonntag ….)

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