5. September 2018 – Freude für Dachs, Hornisse und Mensch: 110 Öchsle!

Gestern Abend im Dunkeln angekommen, es reicht nur noch für einen ersten Blick mit der Taschenlampe in den Weingarten. Hurra!, allerorten hängen dicke blauviolette Trauben. Im Lichtkegel ist aber auch zu sehen, dass vieles von dem, was knapp über dem Boden nach unten aus der Laubwand hängt, sauber abgeknabbert ist. Mehr dann am nächsten Tag. Jetzt erst einmal Koffer auspacken, das Haus durchfegen.

Am frühen Morgen dann springt die Winzerin direkt aus dem Bett und in Haussandalen für eine Stunde in die Blumenbeete am Haus und reißt erst einmal mit immer lehmiger werdenden Füßen das Unkraut aus. Ansonsten warten wir mit Gras schneiden und anderen Arbeiten bis die Wiese und der Weingarten etwas trockener sind, räumen das Grundstück grob auf und richten uns nach der langen Abwesenheit wieder ein. Kommende Woche erwarten wir 6 Gäste, mit denen wir wohl die Weinlese und die Einmaischung der Trauben machen werden.

Am späten Vormittag dann gemeinsam mit dem Nachbarn und bewaffnet mit einem Refaktometer die erste ernsthafte Begehung des Weingartens.

Die Messungen des Zuckergehalts der an verschiedenen Stellen abgezupften Trauben ergeben Erfreuliches: jeweils 4 bis 6 Trauben werden in der Hand zerquetscht,der Saft tropft auf den Probenträger des Refaktometers, der Zuckergehalt wird durch die Lichtbrechung in zwei Primen ermittelt und auf einer Skala angezeigt: satte 110 Grad Öchsle, bei verschiedenem Proben auch mehr, oder 21 Zuckergrade auf der Kloster Neuburger Mostwaage (KMW)!

Unser Refaktometer zeigt parallel beides an, die Werte sind aber jetzt ungenau, weil eigentlich endgültig nur im „gärfertigen Gefäß“ und bei exakt 20 Grad Celsius zu messen ist und außerdem nur der möglichst klare Traubensaft. Auf Deutsch: wir werden es nie vollständig genau erfahren, weil es beim Rotwein bis zur Abpressung niemals klaren Traubensaft ohne irgendwelche Schwebstoffe gibt, sondern immer Kerne, Schalen und Geleereste des inneren Fruchtfleisches im Spiel sind. Dennoch: auch der ungefähre Wert macht froh, wir wissen was wir in etwa haben.

Und auch das: Die Verluste durch Dachs, Fuchs und oder Reh sind deutlich, aber hinnehmbar. Sagen wir mal 10 Prozent. Am Abend Gedankenspiele, von pantomimischen Einlagen beflügelt: Wer war der Dieb? Vorläufiges Ergebnis: Dachs. Es sind nur die untersten Trauben weg.

Der Fuchs hätte aufgerichtet auf die Hinterbeine aber auch noch in über einem Meter Höhe aasen können, dort ist aber noch alles da. Auch Rehe (wir haben das nachgestellt) bräuchten nur in normaler Körperhaltung mit der Schnauze voran geradeaus in die Trauben laufen, um zu fressen. Unten hätten sie sich stark bücken und den Kopf verdrehen müssen, warum das denn? Für die Dachse allerdings mit ihren kurzen Beinchen hängen die unteren Trauben ideal: Kopf hoch, Maul auf, Fressen. Aha! Mal sehen was die UV-Wildbeobachtungskamera in den folgenden Nächten tatsächlich einfängt. Das ist aber auch egal, unten ist jetzt ohnehin nicht mehr viel dran.

Dafür droht oben etwas, von dem überhaupt noch nicht die Rede war: Heerscharen von Wespen, assistiert von ein paar Hornissen, fressen mehr und mehr Trauben an.

Das ist insofern problematisch, als durch die Löcher in den Schalen wilde Hefen eindringen, die überall durch die Luft schwirren, und eine unkontrollierte Mikrogärung einsetzt. Auch könnten Essigbakterien mitkommen, die die kleinen Mengen an noch im Weinberg in den Trauben sich bildenden Alkohol umgehend in Essig umwandeln.

Im Zweifelsfall bedeutet das, dass wir bei der Lese alle angefressenen Trauben einzeln mit der Hand entfernen müssen. Wir haben uns daher entschlossen, unverzüglich mit der Leser zu beginnen sobald die Gäste einsatzbereit sind. Am Ende könnten sonst die Wespen mehr Schaden anrichten als Gutes durch weiteres Zuwarten und ansteigenden Zuckergehalt zu erwarten ist.

Also, in den kommenden Tagen alles dafür vorbereiten (Bericht und Fotos von den Vorkehrungen folgen). Eines doch heute noch: parallel zu allem was für den 2018er Jahrgang zu tun ist, wird der 2017er zu versorgen sein, der seit vergangenem Herbst noch in 4 jeweils etwa 60 Liter fassenden Eichenfässern lagert.

Proben müssen ins Labor, danach muss er gefiltert, frisch geschwefelt und dann in Flaschen gefüllt werden. Und zwar zwingend, sonst haben wir keinen Platz für den neuen Wein. Genaues Vorgehen und Entscheidungen dann abhängig davon wie viele Trauben wir werden ernten können bzw. der Hochrechnung, wie viel Jungwein daraus resultieren wird. Die heutige Kellerbegehung ergibt schon einmal, dass eines der Fässer nicht zur Verfügung wird stehen können. Darin liegt ein(e) Cuvée aus Merlot und unserer eigenen Sorte Monarch, das/die über den Sommer noch einmal kräftig gearbeitet hat. Zwar haben auch die anderen Fässer bei für unseren Keller sommerlichen Temperaturen um die 18 Grad Celsius eine zweite Gärung vollzogen, bei der der erwünschte so genannte Biologische Säureabbau (im Jargon: BSA) vonstatten geht, 3 der 4 Fässer sind dabei sogar übergelaufen. Das Fass mit der Mischung hat aber besonders heftig gearbeitet, der Wein ist trüb und man spürt Schmutz- und Staubreste im Mund, die von dieser malolaktischen oder Milchsäuregärung hochgewirbelt worden sind. Die Erklärung ist schlicht: das Fass setzt sich aus den Resten der in den anderen Fässern in reinen Tranchen einsitzenden Weine zusammen, in denen naturgemäß der meiste Bodensatz verbleibt. Und der gärt nun mal am besten. Jetzt müssen wir vielleicht noch in den Winter hinein warten, bis sich das wieder absetzt und beruhigt.

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