Kantina Karantena (4)

Rezepte und Geschichten aus der házi karantén

Tag 4
(6. September 2020)

Der Sonntag- und auch Festtag, ein Hochzeitstag XL, Tendenz XXL, beginnt mit der Lektüre einiger freundlicher Rückmeldungen auf dieses KuK-Tagebuch in der Mailbox:

„Als ich noch mit meinem „Jäger-Ex“ verheiratet war, hat der Schuhbeck im TV doch tatsächlich mal Eichelhähersuppe gekocht… Aber soweit ich mich erinnere, habt Ihr doch auch Zwetschgenbäume auf dem Grundstück, das verlockt doch zu Zwetschgenknödeln, Gefüllten Buchteln, auch das „Kirschenmännle“ müsste sich doch umfunktionieren lassen“ – „Viel Erfolg bei der Quarantäne-Kunst-Küche!“ – „Wir fahren jetzt nicht (wie geplant) nach Spanien, sondern spielen viel Karten mit Freunden (DoKo) und kochen selbst. Insofern passen eure Kochrezepte gut“ – „Und nein, ich will das nicht abbestellen!“ – „Durchhalten ist die Devise. Ich würde sehr gerne mitessen.“ – „Es wird Spaß machen und ich werde etwas in der Küche lernen.“ – „Die Karantena scheint Euch gut zu tun.“

Richtig ist übrigens, dass bei der vorgestrigen Wildverwertungsorgie untergangen ist, dass tatsächlich noch ein paar Äpfel und Pflaumen an den Bäumen hängen und auch bereits etwas überreife weiße Weintrauben an Zierstöcken um das Haus herum sowie natürlich die roten Trauben in unserem Weingarten, die jetzt schon wenigstens 80, teilweise auch 90 Oechsle haben, aber dem 2020er Wein vorbehalten bleiben:

Das sonstige Obst wird selbstverständlich gelegentlich verwertet, während die Rotweintrauben bei entsprechendem Wetter noch bis Ende September oder länger weiter Zucker zulegen dürfen und dann verkeltert werden.

Und die Frage „Schafgarbe?“ ist beantwortet. Ja, sie wächst noch und offenbar an kürzlich gemähten Stellen vermehrt. Alle Darstellungen im Netz zeigen allerdings nur einzelne Stängel mit den typischen daran angeordneten Blättern. Der Blätterrasen am Boden um diese blühende Pflanze herum verunsichert etwas,

aber geschmeckt hat das Kraut gestern wie man sich das vorstellt: leicht harzig-würzig. Schafgarbe, keine Frage. Schafgarbe, oder so gut wie.

Die Polizei kommt heute schon um exakt 10:24 Uhr zur Kontrolle ans Tor, derweil wir gerade auf der Veranda über den Tequila sprechen, den wir uns zur Feier des Tages geleistet haben und am Abend gönnen wollen.

Die ausgeschlagenen Corona-Tests haben uns zwar den Besuch der beiden uniformierten Herren vor dem Tor eingebracht, das eingesparte Geld ist aber gut investiert, wenn nun auch doch nicht in Champagner und Kaviar. Aber der Tequila passt einfach viel besser zu unserem heutigen Festtag, in Erinnerung und Würdigung unserer langjährigen Liebe zu Mexiko, die einen bedeutenden Teil unseres bisherigen gemeinsamen Lebens einnimmt. Das wird heute der passende Aperitif.

Und zur Feier des Tages soll es am Abend etwas ganz Besonderes geben: Schnitzel Wiener Art mit Kartoffelsalat, selbstverständlich vom Schwein. Bodenhaftung.  Davor ein Nudelsüppchen, danach das gestern tiefgekühlte Parfait mit ein paar marinierten Pflaumen.

Die machen wir jetzt gleich, damit sie bis zum Nachtisch durchkühlen:

      • eine Handvoll Pflaumen, entkernt und in ansehnliche Stücke geschnitten
      • eine kleine gleichgroße Menge Wasser und Zucker (Läuterzucker)
      • die kleine Prise Salz, die gestern beim Parfait vergessen und gerade dort im Rezept nachgetragen wurde
      • Zitronen- und oder Limonenzesten sowie den Saft einer der Früchte
      • zwei Staubkörner Pfeffer
      • das was beim 2 mal über eine feine Reibe schieben von einer Tonkabohne in die Flüssigkeit fällt
      • 1 mikroskopisch kleine Ecke einer Chilischote

Zucker und Wasser erhitzen bis sich der Zucker vollständig gelöst hast. Alle Zutaten außer den Pflaumen zugeben und aufkochen (jetzt rächt sich wenn das Stück Chilie zu groß geraten ist). Danach die Pflaumen zugeben und noch einmal ganz kurz aufkochen. Die Wärme soll nur den Eigengeschmack der Pflaumen aktivieren, sie sollen möglichst stückig bleiben, wir kochen keine Marmelade.  Der ganze Rest der Zutaten ist Voodoo, wir werfen einen Geschmacksnebel. Das Ganze soll einfach etwas anders schmecken als man erwarten würde. Am Besten ist, wenn man nichts außer den Pflaumen  deutlich herausschmeckt, sondern nur gefragt wird, was denn da drin sei. Darauf antwortet man: „Ach, ich weiß nicht mehr was da alles gerade in der Küche rumstand; Du kannst eigentlich nehmen was Du willst.“ Unter anderem auch noch Thymian oder Rosmarin, nur eben immer ganz dezent.

Das Ganze auskühlen lassen.  Am besten die Pflaumen sind richtig kalt wenn das Parfait serviert wird (alternativ: ganz heiß, dann aber bitte immer noch stückig und nicht als Brei, man kann es ja machen wie man will….). Weil wir spät dran sind tue ich etwas, was jetzt vielen weh tun wird, aber in der gepflegten Küche immer mal wieder vorkommt: die heiße Kasserolle wandert vom Herd direkt in den Gefrierschrank. Unsere Pflaumen bleiben bitte stückig. Und werden kalt serviert, auch weil sonst das etwas zu groß geratene Stück Habenero-Chili völlig die geschmackliche Dominanz übernimmt. O ja.

Vorbereitet werden muss nun auch schon frühzeitig der Kartoffelsalat, damit er ein bisschen durchziehen kann:

      • die gestern gekochten und geschälten Erdäpfel klein schneiden
      • etwas Fleischbrühe (warum nicht vom Würfel?)
      • Mayonaise
      • Meerettich
      • Dijonsenf
      • Salz, Pfeffer
      • Essig, Olivenöl
      • eine Prise Knoblauch granuliert
      • Petersilienblätter, Ruccola, beides groh gehackt

Für den Kartoffelsalat gilt das Gleiche wie für die marinierten Pflaumen, alles neben den Kartoffeln selbst dient der Herstellung einer schlotzigen Konsistenz und eines abgerundeten Geschmacks. Man spielt mit den Kartoffeln, der Fleischbrühe und etwas Mayo so lange herum bis das ganze äußerlich aussieht wie ein Kartoffelsalat. Für das Innerliche sorgt dann der Rest der Zutaten: von jedem eine Prise, einen Schuss und hin und her und noch einmal und „Peng!“ ist der Kartoffelsalat fertig. Wer nun gar nicht klar kommt macht das Licht aus, so dass sie oder er nicht beobachtet werden kann, und zielt ganz kurz blind mit der Maggiflasche zwischen die Kartoffeln. Wenn das Licht wieder angeht ist Liebstöckl im Salat, ein etwas vernachlässigtes Kraut,  das es wiederzuentdecken gilt.

Wir hätten übrigens auch gerne noch saure oder frische Gurken oder auch Kürbiskernöl eingearbeitet, das ist aber alles gerade nicht vorrätig. Speck hätten wir zwar auslassen können, wollten aber nicht. Trotzdem eine gute Zutatenvariante, wenn man nicht sowieso noch paniertes Fleisch in viel Öl ausbackt und zum Kartoffelsalat reicht.

Und dann nimmt das vorgesehene Abendessen seinen 3-gängigen Lauf. Nach dem Tequila auf der Terrasse wird die Hochzeitstagssuppe serviert:

Auf ein Rezept verzichten wir in diesem Fall, unsere Brühe stammt schließlich von einem ungarischen Zuchtwürfel mit tadellosem Stammbaum, die Fadennudeln kamen in einem eleganten Zellophankleidchen daher, die leicht verständlichen Zubereitungsanleitungen wurden kostenlos mitgeliefert und der Zuschnitt der Gemüseinlage bereits gestern früh erläutert („Julienne“). Wegen sowas braucht sich niemand zu schämen. Wer so eine Brühe aus Dutzenden frischer Zutaten selbst kochen kann, der werfe den ersten Stein in die Geschmackverstärker.

Dann sind in der Küche bereits die Schnitzelchen aus der Nuss flach geklopft, die Panierstraße ist mit Mehl, geschlagenem Ei und Semmelbröseln gepflastert,

auf dem Herd ist in einer großen Pfanne ein großes Stück Butter bereits geschmolzen und wartet gemeinsam mit einer ordentlichen Menge Sonnenblumenöls darauf, soweit erhitzt zu werden, dass die später darin mehr schwimmenden als liegenden panierten Fleischstücke goldgelb gebacken werden können.

Der Vollständigkeit halber hier der Ablauf der Verrichtung, wenn ich auch nicht glaube, dass irgend jemand so etwas noch nicht gesehen hat:

      • die Schnitzel sehr flach und breit klopfen, von beiden Seiten salzen
      • in das Mehl legen, wenden, überschüssiges Mehl abklopfen
      • danach beide Seiten in die Eier tauchen, abtropfen lassen
      • danach in die Brösel legen, gerne hoch mit diesem bestreuen, wenden und klopfen, wenn alles eng mit Bröseln bedeckt ist, alles Lockere abschütteln, die Schnitzel auf eine Platte legen und die Panade noch einmal fest andrücken
      • sobald alle Schnitzel aussehen wie Badende am Sandstrand die Butter-Öl-Mischung ordentlich hochfahren und dann so viele Schnitzel wie in die Pfanne passen einlegen, es schäumt; nach einer Weile mal unten nachschauen ob es schon etwas bräunlich wird und irgendwann wenden, die bereits angegarte Seite immer wieder einmal mit der Öl-Butter-Mischung übergießen
      • an dieser Stelle entziehen wir uns jeder weiteren Anleitung, weil jetzt jeder selbst entscheidet ob sie oder er erst wendet, wenn die untere Seite komplett fertig ist oder er/sie alle paar Minuten umdreht und die beiden Seiten in mehreren Etappen zu Ende bringt; wahrscheinlich hat es wegen solcher Fragen schon Backpfeifen für Küchenlehrlinge gegeben, wir wollen hier niemanden ins Unglück schicken;
      • aufpassen tut man aber in jedem Fall, dass das Fett nicht zu stark abkühlt oder im Gegenteil zu heiß wird, das mag das Schnitzel nicht
      • und es kann nicht schaden, die nacheinander fertig werden Schnitzel auf ein Blech mit Küchenpapier zu legen und bei 80-100 Grad im Backofen zwischenzulagern; nicht nur tropft das Fett etwas ab und „entspannt“ sich das Fleisch, nein, die Schnitzel werden jetzt auch wundersamerweise fast gleichmäßig braun, auch wenn die letzten etwas scheckig auf dem Öl mit den verbrannten Resten der Vorgänger gekommen sind.

Wir richten an mit Tomaten fürs Auge und Limonenscheiben, weil uns die Limone, der wir für die marinierten Pflaumen die Zesten abgezogen haben, sonst eintrocknet. Die muss also weg:

Eine salzige Sardelle hat sich aber leider nicht gefunden, auch keine gekochte Birne mit Preiselbeeren, all dies wären weitere denkbare Ergänzungen zu diesem Gericht gewesen.

Aber alles zusammen war das schon einmal dieses Sonntags würdig. Weil wir im „flow“ sind, lassen wir auch gleich den Nachtisch krachen. Um das gestürzte und in Stücken geteilte Parfait gruppieren wir unsere Pflaumen und träufeln etwas Saft dazu. Darüber geben wir ein paar abgezupfte Thymianblätter, die – bitte! – mitgegessen  werden. Wegen des Voodoos.

Jetzt machen wir noch einen rosa Sekt von Menger-Krug auf, der uns schon seit dem Moment immer mal wieder begleitet, in dem wir der Brause von Henckel den Laufpass gegeben haben. Und sehen was Jogis Buben heute Abend zu Wege bringen. Das Restaurant ist bis morgen geschlossen.

Den Tag beschließt aber dieser unschuldige Wurm, der für „Eidechse im Speckmantel“ noch deutliches Untermaß hat. Statt des dicken Mantels wäre wohl eher vorläufig noch ein Strampelanzug angesagt: