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10 Jahre "Der Chor" - Sekt statt älter

 

Der Chor: Fred Brahms 

Frankfurter Rundschau, 27. Juni 2000

Der Chor Frankfurt: Szenenbild 2000 (La montanara)Von der Krise der Chöre wird viel geredet, aber natürlich gibt es Ausnahmen. Denn dass das Frankfurter A-cappella-Ensemble "Der Chor", das seinen zehnten Geburtstag mit dem Programm "Sekt statt älter" im Gallus Theater feiert, ins Lamento einstimmen könnte, ist schlicht unvorstellbar. Über 100 Sängerinnen und Sänger haben sich in den letzten zehn Jahren unter Wolfgang Barinas Leitung mehr oder minder lange in das Projekt eingebracht, kontinuierliche Arbeit geleistet und das Ensemble dahin gebracht, wo es heute steht: ziemlich weit vorne.

Wer zehn Jahre alt wird, hat guten Grund, sein Publikum auf eine kleine Zeitreise mitzunehmen. Die hat im Jubiläumsprogramm zwei Gesichter. Zum einen gab's mit dem Querschnitt durch vergangene Programme den Rückblick auf die eigene Historie, die 1990 in der Hausener Brotfabrik begann - damals hatten sich ein paar Musikbegeisterte zusammengetan, um "ein Sammelsurium von Stücken und Stilen" musikalisch aufzubereiten. Das tut der Chor noch immer: Parallel dazu gab es eine Reise durch verschiedene Menschheitsepochen - von der Steinzeit in die Zukunft.

Zwischeneinspielungen vom Band treiben in der Art von Rezitativen die (musikalische) Handlung voran, eine ausgefallene Personen- und Lichtregie setzt zwischen den einzelnen Gesangsnummern gekonnte Akzente. Vom "Neandertal man" und den "Flintstones" ausgehend wurden munter Renaissance, Barock und Romantik gestreift, ehe die Gegenwart erreicht war. Wolfgang Barina, der sich als Chorleiter fast unsichtbar macht, hat dazu gekonnte Arrangements geschrieben, die das Ensemble tonschön und mühelos umsetzt. Der Wechsel der Register - auf Arvo Pärt folgt Heinrich Schütz, auf Zoltán Kodály "La Montanara" - gelingt mühelos und ohne Brüche, und auch die kleinen schauspielerischen Einlagen, die im dramaturgischen Ablauf kleine Zäsuren setzen, kommen gut an.

Wie etwa die Donauwellen zwischen Brahms' "Am Donaustrande" und Strauß' "Donauwalzer" mit der Plastikfolie auf die Bühne geholt werden, erinnert stark an die "Augsburger Puppenkiste": Ein Indiz dafür, dass "Der Chor" - bei aller musikalischen Ernsthaftigkeit - dem Augenzwinkern viel Platz einräumt. Ein bunter Abend, bei dem sich Altes und Neues gegenseitig bespiegeln und in farbiges Licht rücken - mit einem enormen Unterhaltungswert.

So gibt "Der Chor" letztlich ein schönes Beispiel dafür, wie der Krise der Chöre zu begegnen ist: Frische Programme, die sich nicht an der Musical- oder Eventkultur orientieren, demokratische Organisationsstrukturen, selbstständig arbeitende Teilgruppen und eine ausgefallene Präsentation auf der Bühne, die nicht mehr verspricht, als sie auch tatsächlich einlösen kann. Wolfgang Barinas Ensemble darf Modellcharakter beanspruchen.

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