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Puzzled

PuzzledZu manchen trüben, unheilvollen Zeiten
zerfällt Dein wohlgefügtes Bild
der Welt in tausend umgereimte Einzelheiten,
als wollt' von Dir Dich weg wer leiten.
Du weißt nicht mehr, was jetzt noch gilt.

Seltsam vor Dir aufgebaut sind Straßen und Berge,
Tiere, Menschen und dort auch ein Haus.
Du siehst Nabelschnüre, auch ein paar Särge,
dazwischen Schneewittchen, die sieben Zwerge,
die spielen Krieg mit der Mickey Mouse.

Die Stücke der Erinnerung sind wie in einem bösen Traum
neu, anders, verwirrend zusammengefügt.
Gesichter, Formen, Du kennst sie, doch kaum.
Viel Wald ist da, doch nirgends ein Baum;
ein Puzzlespiel, das umgepflügt.

Du erkennst ein Ohr, Du erkennst einen Mund,
einen Fuß dazu, nicht doch das Gesicht.
Es bleibt dabei: der Kreis ist rund
und logisch: am Schwanz hängt ein Hund,
doch alles zusammen, das kennst Du nicht.

Der Mensch steht vor einem Trümmerhaufen
und fängt schließlich an mit Müh zu sortiern,
muß das Aufräumen sich teuer erkaufen,
sich hüten vor in Mitleid ersaufen;
niemand da, der ihn helfend kann führn.

Es folgt eine Zeit voll Fluchen und Tränen,
voll Angst, voll Alp und voller Gram,
der Körper, der Geist mal nach Abbruch sich sehnen,
dann wieder der Lust, der Zukunft sie frönen
und betrachten der Flucht mit Scham.

Manches hat sich dann später doch noch geklärt,
nach schlafloser Nacht, nach müdem Tag zusammengefügt.
Doch bist Du nicht sicher, ob es so gehört,
ob sich das Muster auch in Zukunft bewährt,
ob nicht Deine Erinnerung trügt.

Dies bleibt wohl immer vor Menschen verborgen,
was Wahrheit ist und was Illusion;
die Lüge von gestern ist die Wahrheit von morgen,
das eigentlich Wahre bringt Kummer und Sorgen.
Doch halbwegs bist sicher Du schon.

Und ist sie dann fertig und hergestellt,
so ist denn auch deutlich: es blieb nichts beim alten,
es entstand eine neue, eine andere Welt,
die Dir zwar und vielleicht auch andern gefällt;
doch bleiben ihr Ritzen und Löcher und Spalten.

Das neue Bild aus den alten Teilen
und ein paar neuen dann und wann
ist fertig und Ruhe könnte das Herz ereilen,
doch will der Blick dort am liebsten verweilen,
wo Stellen leerblieben, an denen man durchsehen kann.

Diese Lücken machen uns endlich dann wahr,
daß die Leinwand und daß unser Auge uns trügt;
daß das, was uns stets wichtig war,
nicht das ist, was wir neu sehn und klar,
sondern das, was dort dahinterliegt.

01.12.89, Puerto Escondido

 

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